Auswirkungen von COVID-19 auf die Gewerberaummiete
Fast alle gewerblichen Mietverhältnisse sind gegenwärtig von den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie betroffen. Nachfolgend beantworten wir aus Vermietersicht gesammelte Fragen zu möglichen rechtlichen Auswirkungen. Dabei sind vertragliche Regelungen im Einzelfall stets vorrangig zu prüfen.
Es gelten folgende Kernaussagen:
- Der Mieter ist grundsätzlich weiter zur Zahlung von Miete und Nebenkosten verpflichtet, auch wenn er seinen Betrieb aufgrund eines Umsatzeinbruchs nur verlustbringend oder aufgrund behördlicher Betriebsuntersagungen nicht fortsetzen kann.
- Kurzfristige einvernehmliche Absprachen mit Mietern zu Mietnachlässen sollten vermieden werden. Dies kann gegenüber Mietern unter Hinweis auf die anlaufenden Maßnahmen des Bundes zur Aufrechterhaltung der Liquidität von Unternehmen kommuniziert werden. Diese Maßnahmen sollen auch dem Zweck dienen, Unternehmen die laufenden Mietzahlungen zu ermöglichen. Etwaige Vereinbarungen sind zudem mit Finanzierern des Vermieters und dem Bürgen des Mieters abzustimmen.
- Soweit dem Mieter sein Betrieb nicht behördlich untersagt ist, besteht rein rechtlich auch eine vertraglich vereinbarte Betriebspflicht fort, die man jedoch in der Praxis eher nicht oder allenfalls mit Augenmaß durchsetzen sollte.
- Wenn der Vermieter die Verkehrssicherungspflicht für Allgemeinflächen trägt, hat er auch die notwendigen Maßnahmen zum Schutz vor Ansteckungen zu ergreifen.
- Ob der Vermieter Schadensersatzansprüchen eines Mieters wegen einer verzögerten Übergabe der Mietfläche höhere Gewalt entgegenhalten kann, hängt von der vertraglichen Ausgestaltung der Haftung und den Umständen des Einzelfalls ab. Eine solche Argumentation kann aber durchaus zielführend sein.
I. Entfällt die Pflicht des Mieters zur Zahlung von Miete und Nebenkosten durch die COVID-19 Pandemie?
Die Pflicht des Mieters zur Zahlung von Miete und Nebenkostenbleibtbestehen. Eine Minderung von Miete und Nebenkosten kommt nur bei einem Mangel der Mietsache in Betracht. Ein Einbruch des Umsatzes im Betrieb des Mieters stellt keinen Mangel der Mietsache dar. Das Risiko der wirtschaftlichen Nutzung trägt der Mieter. Das gleiche gilt grundsätzlich auch bei einer Unterbrechung des Betriebs aufgrund von allgemeinen behördlichen Veranstaltungs- oder Betriebsverboten aufgrund der COVID-19 Pandemie. Auch das Risiko eines gravierenden Absinkens des allgemeinen Mietniveaus trägt der Mieter.
Etwas Anderes kann jedoch z.B. dann gelten, wenn die zuständigen Behörden Sonderregeln – etwa für den Besuch von Einkaufszentren treffen. In diesem Fall bezieht sich die behördliche Untersagung nicht auf den Betrieb des Mieters an sich, sondern auf einen Umstand der die vom Vermieter zur Verfügung gestellte Mietsache betrifft (= die Lage in einem Einkaufszentrum). Eine solche Nutzungsuntersagung könnte als Mangel der Mietsache angesehen werden, der den Mieter zur Mietminderung und damit zum Einbehalt von Miete und Nebenkosten berechtigt. Gerichtlich geklärt ist dies natürlich noch nicht. Auch kommt es entscheidend darauf an, wie genau die behördliche Betriebsuntersagung im Einzelfall ausgestaltet ist.
Ein Anspruch auf Vertragsanpassung wegen einer Störung der (großen) Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) dürfte allenfalls in Extremsituationen bzw. bei einer „ungeahnten Umwälzung aller Verhältnisse“ zu diskutieren sein. Insoweit bleiben die weiteren Entwicklungen, aber auch gesetzgeberische Entwicklungen abzuwarten.
II. Wie sollte der Vermieter auf Anfragen von Mietern reagieren, die um kurzfristige Mietanpassungen bitten?
Kurzfristige einvernehmliche Absprachen mit Mietern zu endgültigen Mietnachlässen sollten im Regelfall vermieden werden, solange niemand den Umfang und die Auswirkungen der aktuellen Krise absehen kann. Dies kann gegenüber Mietern unter Verweis auf die anlaufenden Stützungsmaßnahmen des Bundes zur Aufrechterhaltung der Liquidität von Unternehmen begründet werden. Diese Maßnahmen des Bundes sollen auch dem Zweck dienen, Unternehmen die laufenden Mietzahlungen zu ermöglichen. Wie diese Maßnahmen ausgestaltet werden, ist noch abzuwarten. Angekündigt sind insbesondere Steuerstundungen und Kredite. Gewährt der Vermieter den Mietern jetzt vorab Nachlässe, kann er nicht damit rechnen, dass ihm solche bereits gewährten Nachlässe im Rahmen der staatlichen Hilfen angerechnet oder anderweitig berücksichtigt werden.
Ein Entgegenkommen könnte (bei entsprechender eigener Liquidität des Vermieters) ggf. dadurch gewährt werden, dass Mietern bei großen Liquiditätsschwierigkeiten Teile der Miete gestundet werden. Die Stundung sollte hierbei immer klar befristet und in einem schriftformkonformen Nachtrag zum Mietvertrag geregelt werden (d.h. insbesondere nicht über Emails oder mündlich).
Jedwede Abreden sind vorab mit den Finanzierern des Vermieters abzustimmen, da regelmäßig deren Zustimmung erforderlich sein dürfte, soweit die Mietzahlungspflicht betroffen ist. Dies betrifft vor allem auch Stundungen. Bei Abreden über Mietzahlungen dürfte oftmals auch eine Zustimmung der Bürgen des Mieters erforderlich sein, damit entsprechende Abreden auch diesem gegenüber verbindlich werden.
III. Ist der Mieter verpflichtet, seinen Betrieb aufrecht zu erhalten?
Eine Betriebspflicht des Mieters besteht grundsätzlich nur dann, wenn diese vertraglich vereinbart ist. Wenn sie vereinbart ist besteht sie auch dann fort, wenn der Mieter Verluste erwirtschaftet, etwa wenn Kunden ausbleiben und Mitarbeiter erkranken. Die Betriebspflicht erlischt jedoch bei behördlichen Verboten und sollte im Übrigen aus unserer Sicht in der aktuellen Situation sowohl aus Gesundheitsschutzschutz als auch aus Gründen der sozialen Verantwortung in der Praxis nicht oder nur in Ausnahmefällen gegenüber dem Mieter durchgesetzt werden.
IV. Was trifft den Vermieter für besondere Verkehrssicherungspflichten?
Der Vermieter trägt die Verantwortung für die Verkehrssicherung der Allgemeinflächen des Mietobjekts. Im Rahmen der Verkehrssicherung ist er verpflichtet, das Grundstück nebst allen mitvermieteten Räumen und Flächen auf Gefahrenquellen zu überprüfen und diejenigen Maßnahmen zur Gefahrenabwehr zu treffen, die nach den Gesamtumständen zumutbar sind. Für Verletzungen gegen diese Pflicht haftet der Vermieter zivil- und strafrechtlich. Auch in Bezug auf die COVID-19 Pandemie ist der Vermieter verpflichtet, die vernünftig und ausreichend erscheinenden Maßnahmen zu ergreifen. Diese Maßnahmen sollten sich an den jeweils aktuellen Hygiene-Empfehlungen orientieren. Obligatorisch ist, ein korrektes Händewaschen durch ausreichendes Vorhalten und Nachfüllen von Handwaschseife und Einweghandtüchern, zu ermöglichen. Eine regelmäßige Desinfektion von viel berührten Flächen (z.B. Türgriffe, Aufzugschalter) sollte ebenfalls in Betracht gezogen werden. Es empfiehlt sich auch, Besucher in den Allgemeinflächen gut sichtbar auf die einzuhaltenden Hygienevorschriften (etwa gegenseitigen Abstand) hinzuweisen. Weitere Gefahrenquellen sind vor Ort in Abstimmung mit dem Facility Management zu identifizieren und abzusichern.
Werden Versammlungen oder sonstige Menschengruppen behördlich untersagt (z.B. über eine Allgemeinverfügung der Städte), dürfte der Vermieter aus unserer Sicht zudem verpflichtet sein, bezogen auf die der Öffentlichkeit zugänglichen Gemeinschaftsflächen (z.B. die Mall eines Einkaufszentrums) im Rahmen des Zumutbaren für die Einhaltung dieser Verpflichtungen Sorge zu tragen (z.B. durch Ausspruch von Hausverboten, Kontrollen am Eingangsbereich).
Überträgt der Vermieter seine Verkehrssicherungspflicht auf seinem Facility Management, bleibt er verpflichtet die ordnungsgemäße Durchführung der übertragenen Aufgaben effektiv zu überwachen.
Zugleich sollten Vermieter Ihre Mieter zur Verkehrssicherung in den exklusiven Mietflächen anhalten und die Einhaltung von Hygiene-Empfehlungen auch insoweit vorgeben und sich auch deren Einhaltung bestätigen lassen.
V. Haftet der Vermieter gegenüber einem Mieter, wenn sich bei einer Neuvermietung die Übergabe von Mietflächen aufgrund der COVID-19 Pandemie verzögert?
Die Haftung des Vermieters für eine verzögerte Übergabe hängt in besonderem Maße von der mietvertraglichen Ausgestaltung ab. Haftet der Vermieter nur für verschuldete Verzögerungen, kann er sich nach unserer Einschätzung bei der aktuellen Dynamik der Situation auf höhere Gewalt berufen, wenn sich die Übergabe von Mietflächen aufgrund der COVID-19 Pandemie verzögert (z.B. wegen einer Unterbrechung von Lieferketten am Bau oder behördlichen Verboten). Nach der Rechtsprechung des BGH liegt höhere Gewalt vor, wenn ein Ereignis eintritt, dass keiner Sphäre einer Vertragspartei zuzuordnen ist, sondern von außen auf die Lebensverhältnisse einer unbestimmten Vielzahl von Personen einwirkt und objektiv unabwendbar sowie unvorhersehbar ist. Mit der Einordnung der Corona-Krise als Pandemie durch die WHO vom 11.03.2020 dürfte insoweit Klarheit bestehen. Den Besonderheiten des Einzelfalls unter Berücksichtigung der konkreten Gründe der Verzögerung kommt zu dieser Frage eine besondere Rolle zu. Wichtig ist insofern noch mehr als sonst, dem GU oder sonstigen Auftragnehmern bei etwaigen Behinderungen durch die COVID-19 Pandemie konkrete Nachweise über die Gründe und die Dauer der Behinderung abzuverlangen.
Vermieter sollten zudem drohende Verzögerungen in jedem Fall frühzeitig kommunizieren, damit Mieter Schadensminderungsmaßnahmen einleiten können. Neben einer möglichen Erstinformation über betroffene Bauprojekte und Verträge bedarf es – sobald möglich – immer auch eine konkrete Darlegung der Behinderung im Einzelfall.
Für den Neuabschluss von Mietverträgen ist dringend zu empfehlen, in Bezug auf die Übergabeverpflichtungen ausdrückliche Regelungen und/oder verlängerte Fristen für den Fall der Verzögerung aufgrund der COVID-19 Pandemie aufzunehmen. Da die besonderen Umstände der COVID-19 Pandemie jetzt bei einem Neuabschluss bekannt sind, sind die potentiell zu erwartenden Beeinträchtigungen ohne gesonderte Regelung vom Vermieter einzukalkulieren.