Präventionsmaßnahmen des Arbeitgebers bei möglicher und tatsächlicher Infizierung von Arbeitnehmern und Fürsorgepflicht
Was müssen Arbeitgeber aufgrund der steigenden Infektionszahlen präventiv tun? Jeden Arbeitgeber treffen arbeitsvertragliche Schutzpflichten, die auch eine Pflicht zum Schutz der Gesundheit seiner Arbeitnehmer mit umfassen. Arbeitgebern ist daher zu raten, praktische Maßnahmen zu treffen, um die Infektionsgefahr einzudämmen. Dazu können die Bereitstellung von Desinfektionsmitteln an geeigneten Standorten (wie z.B. Eingang und WCs), Hinweise zu deren Benutzung und das verstärkte Hinwirken auf die Einhaltung der Hygienestandards zählen.
Inwieweit Arbeitgeber selbst initiierte Präventivmaßnahmen der Mitarbeiter dulden müssen, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere auch dem konkreten Arbeitsplatz und den auf diesen einwirkenden äußeren Einflüssen. Es bedarf einer Interessenabwägung. Besteht eine erhöhte Infektionsgefahr durch regelmäßigen Kontakt mit potentiell infizierten Personen, wie beispielsweise in der medizinischen Versorgung oder am Flughafen, so wird der Arbeitgeber Schutzmaßnahmen (z.B. Mundschutz) dulden müssen. Allein „normaler“ Kundenkontakt dürfte insofern jedoch nicht ausreichend sein. In diesen Fällen dürfte das Interesse des Arbeitgebers, gegenüber Kunden keine unnötige Panik zu verbreiten, das Schutzinteresse des Arbeitnehmers überwiegen.
Sollte ein abstrakter oder konkreter Verdacht der Infektion eines Mitarbeiters bestehen, kann der Arbeitgeber berechtigt sein, den Mitarbeiter mit Blick auf die Eindämmung der Infektionsgefahr und die Schutzpflichten gegenüber den anderen Arbeitnehmern von der Arbeit freizustellen. Der Vergütungsanspruch des Mitarbeiters bleibt in diesem Fall bestehen. Abschließend geklärt sind die hier geltenden Regeln noch nicht: Zwar hat der Arbeitnehmer einen Beschäftigungsanspruch, der Arbeitgeber ist jedoch aus sachlichen Gründen auch ohne vertragliche Vereinbarung berechtigt, den Arbeitnehmer freizustellen. Hier spricht manches dafür, dass Arbeitnehmer solche Maßnahme des Arbeitgebers akzeptieren werden und nicht versuchen, ihre Weiterbeschäftigung gerichtlich zu erzwingen; jedenfalls spricht, auch aufgrund der bestehenden Unsicherheit, manches dafür, dass der Arbeitgeber zumindest bei auf Tatsachen gestützten Verdachtsmomenten (der Arbeitnehmer hielt sich in einem Risikogebiet auf oder zeigt einzelne Krankheitssymptome) von einem sachlichen Grund ausgehen darf.
Eine generelle Verpflichtung des Mitarbeiters, im Home Office zu arbeiten gibt es nicht; insoweit wird auch häufig übersehen, dass die Anforderungen an eine zulässige Vereinbarung eines Home Office (etwa im Hinblick auf die Qualität der Arbeitsmittel oder des Arbeitsplatzes bzw. datenschutzrechtliche Aspekte oder die Frage, ob bei Mietwohnungen eine solche Nutzung überhaupt zulässig ist) hoch sind. Die einseitige Anordnung zur Arbeit in einem Home Office ist daher nicht ohne weiteres möglich. Selbstverständlich sind, wie bereits erwähnt, einvernehmliche Home Office Lösungen möglich.
Hat der Arbeitgeber Kenntnis von der Erkrankung eines Mitarbeiters, ist er aufgrund der allgemeinen Fürsorgepflicht zu Schutzmaßnahmen – insbesondere der Freistellung des betroffenen Mitarbeiters – verpflichtet.