Behördliche Entschädigung für Verdienstausfälle
Die Maßnahmen, die die Behörden verschiedener Länder ergreifen, um eine weitere Ausbreitung des Coronavirus zu verhindern oder zumindest einzuschränken, sind mitunter drastisch. Ganze Städte werden unter Quarantäne gestellt, Großveranstaltungen werden abgesagt. Auch in Deutschland verordnen die Gesundheitsbehörden zahlreiche Einschränkungen – von Schulschließungen bis hin zur Quarantäne für einzelne Personen, die für die Betroffenen weitreichende Grundrechtseingriffe beinhalten.
I. Welche Maßnahmen stehen den Behörden zur Verfügung?
Rechtliche Grundlage für behördliches Handeln ist das Infektionsschutzgesetz (IfSG). Dieses eröffnet den Behörden weitreichende Möglichkeiten, die Ausbreitung von Krankheiten zu verhindern und einzudämmen.
Eine wichtige Unterscheidung – insbesondere im Hinblick auf Entschädigungsregelungen – der zulässigen Maßnahmen hängt davon ab, ob es um die Verhütung oder um die Bekämpfung von Krankheiten geht.
Wenn die Verhinderung einer Ausbreitung im Vordergrund steht, ist die Behörde ermächtigt, die notwendigen Maßnahmen zur Abwendung der dem Einzelnen oder der Allgemeinheit drohenden Gefahren zu treffen (§ 16 Abs. 1 IfSG). Dabei reicht zur Ergreifung der Maßnahmen bereits ein Gefahrenverdacht hinsichtlich des Auftretens einer übertragbaren Krankheit aus. Nach § 16 Abs. 6 IfSG werden die Maßnahmen auf Vorschlag des Gesundheitsamtes angeordnet. Unter diese Maßnahmen fallen insbesondere Anordnungen, konkrete Hygieneregeln einzuhalten oder bestimmte Orte nicht zu betreten. Hier kann es auch um umfangreiche Kontrollmaßnahmen etwa in Verkehrsmitteln wie Flugzeugen, Bussen oder Bahnen gehen. Nach § 17 IfSG können geeignete Maßnahmen für verdächtig mit Krankheitserregern behaftete Gegenstände getroffen werden. Das betrifft auch Grundstücke und Räume.
Geht es nicht mehr nur um Verhütung, sondern um Bekämpfung von Krankheiten, kann die Behörde weitaus weitreichendere Anordnungen treffen. Sind bereits Personen erkrankt
oder krankheitsverdächtig, können Gesundheitsämter zu Ermittlungszwecken Blutentnahmen und Abstriche von Schleimhäuten verlangen. Besonders weitreichend sind die Schutzmaßnahmen nach § 28 ff. IfSG. Danach kommen z.B. in
Betracht:
- Ganze oder teilweise Schließung von Einrichtungen wie Kinderkrippen, Kindergärten oder Schulen oder anderen Ausbildungseinrichtungen
- Verpflichtung von Personen, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht zu verlassen
- Anordnung von Quarantäne (im Krankenhaus oder zu Hause)
- berufliches Tätigkeitsverbot
- Beschränkung oder Verbot von Veranstaltungen oder sonstigen Ansammlungen einer größeren Anzahl von Menschen; ob hierunter auch die Schließung von Betrieben oder Büros zählt, ist unklar. Eine solche Maßnahme käme wohl nur dann in Betracht, wenn von den betroffenen Räumlichkeiten selbst eine Gefahr ausgeht oder wenn eine Verbreitung einer Krankheit in dem Betrieb nicht ausgeschlossen ist.
Zuwiderhandlungen gegen eine Maßnahme des § 28 Abs. 1 IfSG können eine Straftat nach § 75 Abs. 1 Nr. 1 darstellen. Anordnungen können im Wege des Verwaltungszwangs durchgesetzt werden.
Die Behörde muss den Sachverhalt sorgfältig ermitteln. Bei allen Maßnahmen gilt immer das Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Die Maßnahmen müssen daher stets im Einzelfall erforderlich sein und personell, räumlich und zeitlich bestimmt und begrenzt sein.
II. Wer kommt für entstandene Schäden auf?
Das IfSG regelt nicht nur recht weitreichende behördliche Eingriffsbefugnisse, sondern auch umfangreiche Schadenersatzregelungen. Im Kern stehen dabei die Ansprüche der Personen, die individuell betroffen sind, z.B. weil sie in Quarantäne gesetzt werden (vgl. hierzu den Artikel zur Entgeltfortzahlung).
Für weitergehende betriebliche Schäden – etwa Umsatzausfälle wegen Betriebsunterbrechung oder Schließungen von Betriebsstätten – gibt es indessen grundsätzlich keinen Schadenersatz. Schadenersatz kommt hier nur bei allgemeinen Maßnahmen zur Verhinderung von Verbreitungen in Betracht. Dies wäre etwa denkbar bei der Untersagung von Veranstaltungen wie z.B. Messen oder der Schließung von Betriebsstätten, wenn diese nicht auf der Grundlage konkreter Krankheitsfunde, sondern rein vorsorglich erfolgen. Die Abgrenzungen sind indessen schwierig. Denkbar wären auch Schadenersatzansprüche aus Amtshaftung, etwa weil die Anordnungen der Behörde rechtswidrig sind. Hier käme ein Ersatzanspruch etwa dann in Betracht, wenn ein Betrieb geschlossen wird, weil angeblich Räume kontaminiert sind und sich später herausstellt, dass dies nicht der Fall war. Wird ein Unternehmen nur reflexartig betroffen, etwa weil es zu Betriebsunterbrechungen bei einem Zulieferbetrieb kommt, sieht das Gesetz ebenfalls keine Ausgleichsregelungen vor. Hier kann eine teilweise Entlastung jedenfalls von Entgeltkosten über die Kurzarbeit in Betracht kommen (vgl. hierzu den Artikel zur Kurzarbeit).